Ende Mai hat im italienischen Finale Ligure die Europameisterschaft der Solo 24 Stunden Mountainbikefahrer stattgefunden. 150 Fahrer aus 11 Nationen haben an dem Rennen, was als eines der härtesten 24 Stundenrennen der Welt gilt, teilgenommen. Aus Deutschland stellte sich unter Anderem Kai Saaler aus Hasel, der zusammen mit seiner Schwester Eva als Betreuerin angereist ist, der Herausforderung. Der 27 jährige startete dabei in der U30 Kategorie, die im 24h Rennzirkus als Nachwuchskategorie gilt. Für uns hat Kai seine Erlebnisse bei den 24h von Finale Ligure rückblickend zusammengefasst, die ihn zum 24h Solo MTB-Europameister haben werden lassen!

Update: Forum-User Keroson aka Hans-Joachim Kleine war vor Ort und hat Bilder für Sportograf gemacht – und uns die von Kai dankenswerterweise zur Verfügung gestellt – Viel Spaß!


# Wer es bis hierhin geschafft hat, kann sich freuen: Der Sonnenaufgang über der Rennstrecke in Finale Ligure ist auch in diesem Jahr einigen Starterinnen und Startern verwehrt geblieben. Für uns berichtet Kai Saaler (Follow Me XC-Team, Lörrach) von seinem wilden Ritt zum Solo Europameistertitel in der U30-Klasse. Abfahrt und Herzlichen Glückwunsch!!

Man nehme einen 7,4km lange Rundkurs, setzt ihn an eine italienische Steilküste am Mittelmeer, würzt ihn mit ordentlich Singletrail-Anteil, packt ein paar verblockte Passagen obendrauf, bestückt ihn mit fiesen Rampen und einer coolen Serpentinenjause gegen Rundenende – et voila: man erhält das Streckenprofil der 24 Stunden Solo Europameisterschaft. Ich war gut vorbereitet und im Startblock freute ich mich wie ein kleiner Junge auf das Rennen.

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-19
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-19

Aus den Vorjahren wusste ich jedoch auch, wie lang die kommenden 24 Stunden werden würden. Der Startschuss fällt und es geht los: Punkt 12 Uhr starten die Verrückten und (oder eher wie) ich im beschaulichen Ort Finale Ligure und folgten dem Führungsmotorrad entlang der Küstenstraße. Die Beine werden warm und nach gut drei Kilometern wird das Rennen freigegeben. Jetzt zählt es und es folgt ein gut vier Kilometer langer Anstieg, der in Serpentinen hinauf auf die Rundstrecke führte. Der Schweizer Stefan Hutmacher attackiert gleich an diesem Anstieg und reißt das Feld auseinander. Schnell bildet sich eine Spitzengruppe aus sieben Fahrern, in der auch die Favoriten Rudolf Springer aus Österreich und der Italiener Alberto Zambelli vertreten sind. Auch für mich läuft es gut. Ich kann dem hohen Tempo folgen, doch der Puls klettert bis über 182 Schläge pro Minute. Das ist mein roter Bereich. Langsamer kann ich dennoch nicht fahren, denn wer die Rennrunde in Finale kennt der weiß, dass man hier das Rennen besser von vorne fährt als hinten im Staub unterzugehen und auf den engen Singletrails nicht stecken zu bleiben oder sogar in Stürze verwickelt zu werden.

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-11
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-11

Also Zähne zusammenbeißen und dran bleiben. Für die folgenden vier Stunden wird das Tempo nicht langsamer, doch mir gelingt es, gemeinsam mit Stefan Hutmacher auf die Plätze 6 und 7 zu fahren. Gegenseitig unterstützen wir uns und so wird der Abstand nach vorne immer kleiner. Nach fünfeinhalb Stunden dann die erste Schrecksekunde: Eine der steilen, technischen Abfahrtspassagen wird mir zum Verhängnis und kopfüber verabschiede ich mich von der Strecke. Als ich zurückklettere, sehe ich, dass ich soeben einen Platz verloren habe. Doch mein Bike und ich sind in Ordnung und nur wenige Sekunden später bin ich wieder in Schwung und jage den verlorenen Sekunden nach.


# Glück gehabt – wer Pech hat, kann sich auf der schweren Strecke in Finale Ligure auch handfeste Verletzungen zuziehen. Für mich geht es nach meinem Sturz ohne Probleme und Beeinträchtigungen weiter.

Mein Glück ist, dass die Kollegen an der Spitze auch nicht vom Pech verfolgt bleiben sondern mit diversen anderen Problemen zu kämpfen haben. So hat etwa Rudolf Springer zu diesem Zeitpunkt bereits drei platte Reifen und einen Kettenriss zu beklagen. So gelingt es nach sechs Stunden dem Engländer Thomas Wildham, sich an die Spitze des Feldes zu setzen. Ein Nachteil des hohen Tempos und der geringen Abstände: An Stopps zum Essen oder Trinken ist nicht zu denken. In bester XC-World Cup-Manier greife ich so Runde für Runde nach den Trinkflachen mit Riegeln, die mir meine Betreuerin Eva vom Streckenrand aus entgegen streckt. Gegessen wird auf dem Rad – bei Vollgas und mit einer herausfordernden Strecke unter den Reifen.

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-5
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-5

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-18
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-18

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-17
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-17

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-14
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-14

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-13
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-13

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-12
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-12

Mittlerweile sind 8,5 Stunden gefahren und die Dunkelheit bricht langsam aber sicher herein. Bevor es ganz dunkel wird, tausche ich bei Eva mein Wilier 101XN Race-Bike, damit sie die Lampen für die kommende Nacht montieren kann. Mein Zweitrad ist ein gutes Stück schwerer und weniger radikal aufgebaut, so dass ich mich nach nur einer Runde freue, als ich wieder auf die Rennfeile umsteigen kann und nun im Licht der Scheinwerfer gegen die Strecke kämpfe.


# Vor Einbruch der Nacht wird schnell das Rad gewechselt, damit am Race-Bike in der Zwischenzeit die Lampen befestigt werden können. In der Nacht werden die Rennen in der Regel entschieden – auch hier kommt es auf jede Sekunde an. Foto von Matteo Cappe

Doch während die Nacht mit eingeschränkten Sichtverhältnissen und unverändert dichtem Verkehr ihre eigenen Herausforderungen stellt, bedanke ich mich bei ihr insgeheim auch für die niedrigeren Temperaturen. Hinzu kommt, dass die Spitzenfahrer alle ein wenig das Tempo reduzieren, um sicherer durch die technischen Passagen zu kommen. Gerade die mit spitzen Steinen gepflasterten Downhil-Sektionen verlangen Mensch und Material in diesen Stunden alles ab und Runde für Runde freue ich mich, wenn ich ohne Defekte die Schlüsselstellen passiert habe. Aus Erfahrung weiß ich, dass diese Endurance-Rennen in der Nacht entschieden werden.

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-3
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-3

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-1
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-1

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-15
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-15

Während ich in den folgenden Stunden von weiteren Stürzen verschont bleibe, gibt es andere, die mehr Pech haben. Eines der Opfer, das die Nacht fordert, ist der bereits erwähnte Engländer Wildham. Er muss nach gut 12 Stunden das Rennen beenden und gibt entkräftet auf. Am Ende der Kräfte scheint auch mein direkter Konkurrent Tiziano Carraro aus Italien zu sein, der in der Gesamtwertung immer weiter zurück fällt. Mir hingegen gelingen konstante Rundenzeiten und nach der Hälfte des Rennens werde ich auf Platz 4 der Gesamtwertung geführt. Zu diesem Zeitpunkt führt mit Zambelli ein weiterer Italiener, doch sein Vorsprung auf Springer (Österreich) beträgt nur fünf Minuten.


# Kai am Ende der heißen Abfahrt zum Start- und Zielbereich. Hier kann man es richtig laufen lassen, doch nach 20h im Sattel sieht Spaß anders aus.

So verläuft das Rennen weiter und nach 18 Stunden im Sattel gelingt es mir, den auf Platz drei liegenden Hutmacher an einem steilen und technisch anspruchsvollen Anstieg zu stellen und zu überholen. In der darauf folgenden Abfahrt gelingt es mir, ihn auf Distanz zu halten und langsam aber sicher steigt mein Vorsprung – Platz 3 gehört zu diesem Zeitpunkt mir. Gleichzeitig hat Rudolf Springer seinen Rückstand aufholen können und wird eine Runde später als neuer Führender gelistet.

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-8
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-8

Mittlerweile zeigt der große Countdown im Start- / Zielbereich der Runde weniger als vier Stunden bis zum Rennende. Mehr als 20 Stunden verbringen meine Mitstreiter und ich mittlerweile im Sattel und so richtig spurlos geht diese Strapaze an keinem von uns vorüber. Während wir bis zu diesem Zeitpunkt von gutem aber nicht zu heißen Wetter begünstigt worden sind, weht der Wind vom Meer her nun einige Regenwolken auf das Renngeschehen. Das macht die Strecke nicht unbedingt leichter, doch es gelingt mir, meinen Vorsprung zu verteidigen. Mittlerweile habe ich mich immerhin fast eine Runde von dem hinter mir fahrenden Hutmacher abgesetzt und das soll bitte auch so bleiben!

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-6
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-6

Und so bleibt es auch: Um kurz nach 12 Uhr, nach 24 Stunden, komme ich ins Ziel. In den letzten 24h habe ich 46 Runden gefahren – das entspricht 340 Kilometern und gut 8300 Höhenmetern. Und das auf Platz drei! Doch der Moment des Glücks wird ein wenig getrübt, denn ein Fehler des Veranstalters sorg dafür, dass ich nicht auf die letzte Runde gelassen werde – wohl aber mein Konkurrent Hutmacher aus der Schweiz, der hinter mir die Linie passiert. So verliere ich nach Rennende noch meinen Podiumsplatz und werde am Ende Vierter in der Elitewertung. Doch sehen wir es so: Ich habe den vierten Platz gewonnen – nach einem solchen Rennen inklusive Sturz dennoch ein überragendes Ergebnis. Mein Kommentar dazu: Dann muss ich nächstes Jahr halt wieder kommen.


# Pech im Ziel: Ein Fehler der Streckenposten sorgt dafür, dass Kai im Ziel stehend noch seinen dritten Gesamtplatz verliert. Egal – er freut sich trotzdem


# Geschafft: Nach 24h im Sattel darf sich Kai Saaler 24h Solo Europameister nennen. Seine Schwester und Betreuerin Eva freut sich mit ihm.

An der Spitze entscheidet Rudolf Springer aus Österreich das Rennen vor dem Italiener Alberto Zambelli und darf sich folglich Elite-Europameistertitel nennen. In meiner Altersklasse – U30 – gewinne ich mit einem komfortablen Vorsprung von sieben Runden ebenfalls diese Solo Europameisterschaft, was eine große Entschädigung für den entgangenen dritten Platz in der Gesamtwertung darstellt. In dieser Kategorie bin ich als Jungspund unterwegs gewesen und habe in der Tat die Favoriten zumindest ein bisschen ärgern können. Das hat Spaß gemacht und ich bin Europameister. Geil. Jetzt geht es erst mal Essen, Duschen und Schlafen. Vor allem Schlafen!

24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine - Sportograf-20
# 24h Finale Ligure Copyright Hans-Joachim Kleine – Sportograf-20

  1. benutzerbild

    Tobias

    dabei seit 08/2001

    @Fomeracer: Basis ist der Zeitungsartikel von Kai - den habe ich jedoch voll umgeschrieben und die Frage, ob er hier antwortet oder nicht ist denke ich davon unabhängig. Er ist ja auch im Forum aktiv, von dem her könnte er sich die Zeit nehmen smilie
  2. benutzerbild

    Laktathunter

    dabei seit 11/2008

    @Fomeracer: Basis ist der Zeitungsartikel von Kai - den habe ich jedoch voll umgeschrieben und die Frage, ob er hier antwortet oder nicht ist denke ich davon unabhängig. Er ist ja auch im Forum aktiv, von dem her könnte er sich die Zeit nehmen smilie
    Ok, danke dir für die Ergänzung. Das er selbst hier aktiv ist, wusste ich nicht.

    LG

    Daniel
  3. benutzerbild

    freak13

    dabei seit 12/2004

    Mit der Brille wundert es mich das die italienische Stylepolizei dich nicht komplett disqualifiziert, sondern nur vom Podium verbannt hat smilie

  4. benutzerbild

    MissesDee

    dabei seit 08/2012

    Wahnsinn, wie kann man nach 24h noch so frisch aussehen ? Respekt !!! & sehr sportlich: der Kommentar zum verlorenen Podium Platz ;O)

Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular:

Verpasse keine Neuheit – trag dich für den MTB-News-Newsletter ein!